Irgendwann begann ich damit – ich sitze immer schon vor ihr an unserem verabredeten Treffpunkt, da ihre Pünktlichkeit der große Auftritt zu sein scheint – mir fünf Minuten lang Gedanken darüber zu machen, wie sie heute wohl aussehen könnte.

Sie trägt ihren Mantel weit und offen.

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In einem Ohr piepst es.
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Sie läuft kontrolliert, das sieht man, schaut man genau. Das sieht also kaum jemand, der sie anschaut.
Ihr ganzes Dasein ist sehr kontrolliert, da durchinszeniert.
Jedesmal wenn ich sie treffen, sagt sie mir, dass sie ihre Haare wachsen lässt, um bei dem nächsten Treffen mit einem frisch geschnittenen leicht abgewandelten Pagenkopf anzukommen.
Ihre Pagenköpfe faszinieren, sehen sie doch immer unfrisiert und doch perfekt aus. Jedes Haar befindet sich an haargenau der richtigen Stelle, nur aneinandergereiht sind sie nie.
Gepflegte Wildnis trifft es nichteinmal, da es nur wild aussieht, nicht kultiviert und doch so Lady, so ganz und gar, so gänzlich und eizig wahrhaftig.
Ich könnte nicht sagen wie nahe wir uns stehen.
Ich scheine eine wichtige Rolle für sie zu spielen, nur konnte sie sich noch nicht entscheiden, welche das ist.
Auch ist nicht klar ob ich oder sie der Regisseur unserer Verbindung ist.
Unsere Treffen finden in einer unregelmäßigen Regelmäßigkeit statt.
Die Orten wechseln so sehr wie ihre Aussagen oder Haarschnitte. Also ständig, aber doch nur minimal.
Irgendwann begann ich damit – ich sitze immer schon vor ihr an unserem verabredeten Treffpunkt, da ihre Pünktlichkeit der große Auftritt zu sein scheint – mir fünf Minuten lang Gedanken darüber zu machen, wie sie heute wohl aussehen könnte.
Ob sie einen Regenschirm bei sich hat, da der Wetterbericht eine Regenwahrscheinlichkeit von 78% vorausgesagt hat, ob sie heute Hut trägt, oder Nagellack. Derbe Stiefel oder Stilettos. Manchmal erscheint sie auch in einem Komplettoutfit an das man gar nicht glauben könnte, hätte man sie nicht darin gesehen.
Das aller Spannendste an unserer Verbindung/Beziehung ist; das ihr Auftritt kein Stück an meiner Eitelkeit kratzt. Ihr Verharren auf Perfektion ändert nichts an meiner Selbstwahrnehmung und gleichermaßen ist sie nicht zu selbstverliebt um mein Äußeres zu würdigen.
Jedesmal nach dem sie mich mindestens einmal auf jede meiner beiden Wangen geküsst und umarmt hat tritt sie einen Schritt zurück um festzustellen, dass ich schon wieder jünger und dünner aussehe. Fasziniert ist sie, mit ehrlichen Augen, und so bin ich es von ihr.
Ich könnte wirklich nicht sagen, wie ähnlich wir uns sind, und wie es zu unseren Treffen gekommen ist. Aber wir haben uns jedes Mal etwas zu sagen.
Sie scheint wie der perfekt optimierte Charakter aus Sex and the City zu sein. Die Frau die genügenden Klischees entspricht um nicht zu gefährlich zu sein, um dann doch wieder so sehr abzuweichen, dass nichts anderes möglich ist, als sie interessant zu finden, sich zu fragen, wer sie wohl ist. Das wiederum scheint jedoch niemand so genau zu wissen.
Ich weiß von keiner humanoiden Konstante in ihrem Leben. Eine Katze hat sie auch nicht, obwohl sie so wirkt.
Ihre Wohnung sagt das gleiche was ihre Kleidung sagt und die schreit; Hyperrealität.
Das denkt man spätestens dann, wenn man ihr mehrmals zufällig auf der Straße begegnet ist, und ihre nie angekratzte Perfektion sieht.
Mein Tee schmeckt fad. Sie erzählt mir etwas, eigentlich spielt es keine Rolle.

I don’t believe in pain anymore N°1 (Aus Gründen des Mangels an Zeit muss diese Geschichte in Episoden erzählt werden. Die Brüche sind so unnachvollziehbar, dass selbst ich sie nicht verstehe.)

I don’t believe in pain anymore.

Im Atelier liegen Plastiktüten gehäuft auf dem Parkett. Adrett sieht es aus, so dass ich es fotografiert habe.
Der Katze gefällt es auch, so dass sie abends, wenn ich schlafen möchte, Lärm macht. Sie tritt auf den Plastiktüten herum und ist glücklich. Ich höre sie dabei und kann nicht schlafen.
Aber denken kann ich dann auch nicht, was dazu führt, dass ich nicht mehr an Schmerz glaube. Für den Alltag funktioniert das die letzten vierzehn Tage größtenteils wunderbar.
Der Katze wird es nicht langweilig in ihrem Glück, ich verstehe sie ja, und gönne es ihr erst recht, aber der nächsten Tag ist bereits angebrochen, und höchstwahrscheinlich wird der iPhone-Wecker um Punkt 13 vor 7 klingeln. Warum das so ist weiß ich auch nicht genau, also antworte ich (mir selbst): aus Gründen.
Morgen um Punkt 13 vor 7 werden diese Gründe bestimmt wieder Sinn ergeben, und ich werde bestimmt wieder über sie bescheid wissen.
Derweilen höre ich das pure Katzenglück.
Ich überlege mir, wie es mit dem Kostennutzenaufwandnutzen, ach, ihr wisst schon was ich meine, aussieht, und stelle fest, dass der Parkett bestimmt viel zu kalt ist, um jetzt mit nackten, daunengewärmten Füßen vom Bett bis rüber ins Atelier zu tapsen um der Katze ihr Glück zu nehmen und im Gegenzug Schlaf zu erhalten.
I don’t believe in pain anymore, sagt mir mein Kopf im Schlaf. Ich muss schon lange schlafen. Wie ein Dornröschenschlaf fühlt es sich an.

Und die Rehe fressen schon

Waldstück, Waldstück immer wieder
fällt der Morgen in den Tag.
Und ich liege bloß getragen
in dem Moos des Nachmittags.
Rehe fressen augenschlagend
alles außer nachmittags
Gräser sattgrün abgetragen
Hufe scharrend.
Weiter dann und immer wieder
ist es so wie heute schon.
Bin ich einfach, kann nicht anders
und die Rehe fressen schon.